Nach der Schlusssirene die Nerven behalten

Konstanz – Die HSG Konstanz hat es schon wieder getan: In einem ultimativen Drama reichte der Treffer von Kapitän Tim Bornhauser im letzten Spiel seiner Handballkarriere per Siebenmeter nach Ablauf der Spielzeit zum 30:34 gegen den Wilhelmshavener HV für den insgesamt vierten Aufstieg in die 2. Handball-Bundesliga.

Danach wurde das Spielfeld in der mit 1800 frenetischen Fans gefüllten „Schänzle-Hölle“ – laut Konstanzer Vereinsmitteilung – gestürmt und es spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Ja, denn Hollywood liebt Drama, die verrückten, die außergewöhnlichen sowie besonders emotionalen und ergreifenden Momente.

Bei diesem Drehbuch hätte wahrscheinlich dennoch jeder Regisseur abgelehnt und gesagt: Zu übertrieben. Zu unrealistisch. Zu surreal. Der geilste Sport der Welt schreibt jedoch seine eigenen Geschichten – und die allerbesten aus Konstanzer Sicht.

Nach einer – so die HSG weiter – wahren Mammut-Saison und zuvor 25 Siegen in 28 Spielen war Konstanz trotz der überragenden Unterstützung von den Rängen 75 Sekunden vor dem Ende des alles entscheidenden Finalspiels um den Aufstieg in die stärkste zweite Liga der Welt eigentlich mausetot.

27:34 in Rückstand, dabei würde nur eine Niederlage mit vier Toren zum direkten Wiederaufstieg reichen, der nach dem Hinspiel und dem 32:27-Erfolg an der Nordsee schon in greifbarer Nähe schien. Doch an diesem Tag wollte so gut wie nichts bei den Gelb-Blauen klappen.

Von Beginn an war die Nervosität der sehr jungen Mannschaft förmlich greifbar. Die Hände zitterten, die Bälle flutschten Mal um Mal aus den Händen, landeten neben dem Tor oder in den Fängen des starken WHV-Keepers Jakub Lefan.

Peter Schramm hatte sich zudem früh an der Leiste verletzt und konnte nicht mehr weiterspielen. Die Anzahl der Fehlpässe, Ungenauigkeiten und ungenutzten Großchancen, sie hätte für viele Spiele ausgereicht. Dazu kam viel Pech.

Zweimal warf die HSG auf das leere Tor und zweimal landete das Spielgerät nur am Pfosten oder der Latte. Die Anzahl der Aluminium-Treffer war ebenfalls erschreckend hoch. Ganz anders auf der Gegenseite.

Wilhelmshaven, hervorragend eingestellt von Trainer Christian Köhrmann, drückte die offensive Deckung der Gastgeber mit dem siebten Feldspieler erfolgreich nach hinten und fand immer wieder die richtige Lösung.

Über den starken Alexander Coßmann, Routinier Matey Kozul -oder immer wieder aus dem Rückraum mit den einfachen Toren durch Shooter René Drechsler. Achtmal traf er die HSG ins Mark.

Doch die Geschichte dieser Saison und der HSG sei die von unbändigem Willen, totaler Hingabe für die Mannschaft jedes Einzelnen und unerschütterlichem Glauben an die eigene Chance. Auch wenn sie eigentlich gar nicht mehr da ist.

Denn in den letzten 102 Sekunden trug sich nicht weniger, man muss es so sagen, als das Wunder von Konstanz zu. Weil Coach Jörg Lützelberger Mut hatte und zum Beispiel Jonas Hadlich und Joel Mauch einwechselte, die beide wichtige Aktionen hatten.

David Knezevic verkürzte per Doppelschlag auf 29:34. Und dann, ja dann folgte der große Auftritt des scheidenden Kapitäns. Der Rest war Party pur und die Freude darüber, am „Schänzle“ einen weiteren, ziemlich denkwürdigen Abend realisiert zu haben. Großer Sport eben.